Ich vergebe.

Das ist einer der machtvollsten Sätze im Universum. Denn den Groll, den wir gegen andere hegen, tragen wir durch unser Leben – und so wird unser Rucksack immer schwerer und schwerer.

Es ist auch vergleichbar mit einem Stück glühender Kohle, das wir in der Hand halten – wir verbrennen uns dabei die Haut, nicht die anderen.

Doch wie schaffen wir es, zu vergeben, um so mehr Leichtigkeit und Freude in unser Leben zu ziehen und in Zukunft mit leichtem Handgepäck zu reisen?

Kennst du die ganze Geschichte?

Wir denken, wir kennen die ganze Geschichte: Jemand hat uns Unrecht getan, uns ist Leid widerfahren, wir ärgern uns über etwas – und fällen ein Urteil.

Aber können wir das große Ganze wirklich sehen? Können wir sehen, was wirklich dahintersteckt?
Das heißt nicht, dass wir das Verhalten des anderen gutheißen müssen, es heißt nur, dass wir nur unser Mosaik, unser Puzzle sehen, aber niemals das gesamte Bild.

Die Geschichte: ‚Glück oder Unglück – wer weiß das schon?‘ zeigt das bildhaft auf:

Im alten China lebte einst ein armer alter Bauer, dessen einziger Besitz ein wundervoller weißer Hengst war. Selbst der Kaiser träumte davon, dieses Pferd zu besitzen. Er bot dem Alten Säcke voller Gold und Diamanten, doch der Alte schüttelte beharrlich den Kopf und sagte: „Nein, mir fehlt es an nichts. Der Schimmel dient mir seit vielen Jahren und ist mir zum Freund geworden. Ich verkaufe ihn nicht.“ So zogen die Gesandten des Kaisers unverrichteter Dinge wieder ab.

Die Dorfbewohner lachten über so viel Unvernunft. Wie konnte der Alte bloß wegen eines Pferdes so viel Reichtum und Glück ausschlagen?

Eines Morgens war das Pferd verschwunden. Die Dorfbewohner liefen aufgeregt vor dem leeren Stall zusammen, um das Unglück des alten Bauers zu beklagen. „Sag selbst, Alter, hat sich deine Treue gelohnt? Du könntest ein reicher Mann sein, wenn du nicht so eigensinnig gewesen wärst. Jetzt bist du ärmer als zuvor. Kein Pferd zum Arbeiten und kein Geld zum Leben, Ach, das Unglück hat dich schwer getroffen.“

Der alte Bauer blickte bedächtig in die Runde, nickte nachdenklich und sagte: „Was redet ihr da? Das Pferd steht nicht mehr im Stall, das ist alles, was ich sehe. Vielleicht ist es ein Unglück, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon so genau?“

Einige Tage später, es war ein warmer, sonniger Frühlingstag und das halbe Dorf arbeitete in den Feldern, stürmte der vermisste Schimmel laut wiehernd die Dorfstraße entlang. Die Sonne glänzte auf seinem Fell, und die Mähne und Schweif flatterten wie feinste Silberfäden im Wind. Es war ein herrlicher Anblick, wie er voller Kraft und Anmut daher galoppierte.

Doch das war es nicht allein, was die Dörfler erstaunt die Augen aufreißen ließ. Noch mehr Staunen riefen die sechs wilden Stuten hervor, die hinter dem Hengst her trabten und ihm in die offene Koppel neben dem leeren Stall folgten.

„O du Glücklicher, von den Göttern gesegneter Mann! Jetzt hast du sieben Pferde und bist doch noch zum reichen Mann geworden. Bald wird Nachwuchs deine Weiden füllen. Wer hätte gedacht, dass dir noch einmal so viel Glück beschieden wäre?“ riefen sie, während sie dem alten Mann zu seinem unverhofften Reichtum gratulierten.

Der Alte schaute gelassen in die aufgeregte Menge und erwiderte: „Ihr geht zu weit. Sagt einfach: Jetzt hat er sieben Pferde. Ob das Glück oder Unglück bringt, niemand weiß es zu sagen.“

Die Geschichte geht weiter, der Sohn fällt vom Pferd und kann nicht mehr arbeiten – als der Krieg kommt, muss er dafür nicht an die Front.

Der Alte lehrt die Dorfbewohner: „Ihr seid vom Urteilen besessen und malt die Welt entweder schwarz oder weiß. Habt ihr noch immer nicht begriffen, dass wir nur Bruchstücke des Lebens wahrnehmen? Ihr betrachtet euer Leben wie durch ein Schlüsselloch, und doch glaubt ihr, das Ganze zu sehen. Niemand von uns weiß, wie sich das große Bild zusammensetzt.“

Auch Kati Byron erläutert dies wunderbar. Mit ihrer Methode „The Work“  gibt sie zudem eine Anleitung, wie wir uns von Urteilen befreien können.

Denn das ist einer der wichtigen Schritte bei der Vergebung – anzuerkennen, dass wir nicht das große Ganze kennen und unser Urteil nur unsere Sichtweise auf die Dinge ist.

Das bedeutet nicht, dass wir unseren Schmerz nicht zulassen dürfen – im Gegenteil, auch das ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Vergebungsarbeit. Aber es heißt, die Situation für sich transformieren zu können und lernen, loszulassen.

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